Ressourcen und Barrieren der Waldkindergartenpädagogik für Inklusion

„Natur sagt nicht, du bist unvollkommen. Sie fragt nicht nach dem Woher und Wohin. Sie nimmt uns auf in ihren Schoß und lässt uns im dialogischen Prozess stark werden an uns selbst“.

MIKLITZ 2015

Einleitung

Waldkindergärten gibt es in Deutschland erst seit ca. 20 Jahren. (vgl. MIKLITZ 2011, 15). Der Bundesverband der Natur- und Waldkindergärten (BvNW) beziffert die Anzahl an Einrichtungen, die nach diesem Ansatz arbeiten auf über 1500, mit steigender Zahl (vgl. BvNW 2015). Das besondere an diesen Kindergärten ist, dass sich die Kinder mit ihren ErzieherInnen den ganzen Tag über im Freien aufhalten. Ihnen dient lediglich eine Hütte oder ein Bauwagen als Schutzunterkunft oder als Schlafens- bzw. Mittagessensplatz. „Der eigentliche Kindergarten ist der Wald“ (KNAUF/DÜX/SCHLÜTER 2007, 173).

Auf der Bundesfachtagung der Natur- und Waldkindergärten in Berlin wurde 2014 zum ersten Mal in der breiten Öffentlichkeit der Waldkindergartenpädagogik über Inklusion diskutiert (vgl. BvNW 2015). Bei der Durchsicht von Konzepten von Natur- und Waldkindergärten, die sich explizit auch auf Inklusion beziehen, lässt sich allerdings feststellen, dass häufig ein eingeschränktes Verständnis von Inklusion vorliegt. Inklusion wird lediglich als neue Form der Integration von Kindern mit Förderbedarf in Regeleinrichtungen gesehen (vgl. ALLHOFF o.J., 3) und die Begriffe werden teilweise in einem Atemzug ohne Abgrenzung voneinander genannt (vgl. a.a.O., 4). So heißt es z.B.: „Inklusion ist die selbstverständliche Teilhabe von Kindern mit besonderem Förderbedarf am alltäglichen Leben ohne Unterscheidung und Trennung von behindert / nicht-behindert. Ein wichtiges Ziel ist, gleichberechtigte Selbstbestimmung zu ermöglichen“ (ebd.).

Eine solche Verwendung wird aber dem Begriff der Inklusion wie er hier verstanden wird nicht gerecht, sondern verbleibt bei dem Gedanken der Integration. „Während mit dem Konzept der Integration vor allem die Teilhabe von Kindern mit Behinderung im Bildungssystem fokussiert wurde, bezieht die Inklusionspädagogik alle Erscheinungsformen von Heterogenität mit ein: Kinder unterscheiden sich hinsichtlich ihres Geschlechts, der sozialen Voraussetzungen, der Nationalität, Ethnie, des Alters und auch ihrer körperlichen Verfassung und Intelligenz voneinander. Diese D imensionen der Vielfalt werden jedoch nicht als Risiko, sondern als bereichernd anerkannt und als alltäglicher Bestandteil des Zusammenlebens von Kindern und Erwachsenen wertgeschätzt“ (ALBERS 2012, 13).

Trotz eines solchen verkürzten Inklusionsverständnisses in der Waldkindergartenpädagogik gibt es in diesem pädagogischen Ansatz zahlreiche Ressourcen für eine Matthias May – Ressourcen und Barrieren der Waldkindergartenpädagogik für Inklusion 5 inklusive pädagogische Praxis. Ziel dieser Arbeit ist es, einen differenzierten Blick auf den Ansatz der Waldkindergartenpädagogik zu werfen und ihn auf sein inklusives Potential zu prüfen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es kein allgemein gültiges Konzept für alle Waldkindergärten gibt und die jeweiligen Einrichtungen teilweise unterschiedliche Schwerpunkte setzen (vgl. HÄFNER 2002, 38). Dennoch gibt es zahlreiche Gemeinsamkeiten, und die Waldkindergartenpädagogik hat sich als ein weiterer pädagogischer Ansatz in der frühkindlichen Pädagogik fest etabliert (vgl. KNAUF/DÜX/SCHLÜTER 2007; MIKLITZ 2011).

Um das inklusive Potential der Waldkindergartenpädagogik zu analysieren, bedarf es zunächst einer Beschreibung, was unter Inklusion verstanden wird und welche Kriterien für eine Analyse geeignet erscheinen. In Kapitel 2 wird das Verständnis von Inklusion in dieser Arbeit zunächst kurz umrissen und in Kapitel 4 weiter ausgeführt. Dabei werden inklusive Kriterien für pädagogische Ansätze zusammengestellt (vgl. Kapitel 4.4). Um das vorliegende Inklusionsverständnis zu konkretisieren, wird dabei auf drei Konzepte Bezug genommen, die sich in der Diskussion zur Entwicklung einer inklusiven Pädagogik etabliert haben. Es handelt sich dabei um das Mehrebenenmodell von HEIMLICH (vgl. Kapitel 4.1), den Index für Inklusion von BOOTH/AINSCOW/KINGSTON (vgl. Kapitel 4.2) und die Pädagogik der Vielfalt von PRENGEL (vgl. Kapitel 4.3).

Aus diesen Konzepten werden inklusive Kriterien entwickelt, die für alle pädagogischen Ansätze gelten sollten, und diese dann im Kapitel 5 ausführlich auf die Waldkindergartenpädagogik angewendet. Dabei werden zum Einen die Ressourcen dieses pädagogischen Ansatzes für Inklusion sichtbar. Zum Anderen werden aber auch vorhandene Barrieren (wie z.B. Zugangsbarrieren für bestimmte Bevölkerungsgruppen) aufgeführt, mit dem Ziel, den in der Waldkindergartenpädagogik tätigen pädagogischen Fachkräften bewusst zu machen, welche offensichtlichen, teilweise aber auch subtilen und unterschwellig vorhandenen Barrieren in diesem pädagogischen Ansatz existieren. Erst durch eine solche Bewusstwerdung möglicher Barrieren können pädagogische Fachkräfte beginnen, ihre eigene Einrichtung auf solche Probleme für Inklusion zu überprüfen und evtl. vorhandene Barrieren reduzieren, damit der pädagogische Ansatz der Waldkindergartenpädagogik seine volle inklusive Kraft entfalten kann.

Denn „es geht nun nicht mehr darum, ob Inklusion in Kindertageseinrichtungen sinnvoll ist, sondern vielmehr um die Frage, wie sich die Inklusion in Kindertages- Matthias May – Ressourcen und Barrieren der Waldkindergartenpädagogik für Inklusion 6 einrichtungen in einer möglichst qualitätsorientierten Weise in die Praxis umsetzen lässt“ (HEIMLICH 2013, 8).

Pädagogische Qualität wird in der frühkindlichen Bildung vor allem durch die Orientierung an pädagogischen Ansätzen sichtbar (vgl. KNAUF/DÜX/SCHLÜTER 2007, 10). „Denn diese wirken sich konkret auf die alltägliche Rolleninterpretation der Erzieherin, ihre Konzeptualisierung von Handlungs- und Interaktionsstrukturen mit den Kindern und vor allem auch auf die Auswahl von Material und die Raum- und Zeitgestaltung aus“ (ebd.). Nach einer ersten Definition des Inklusionsbegriffes wird daher in Kapitel 3 auf pädagogische Ansätze und ihre Bedeutung für Inklusion im Allgemeinen eingegangen…

Matthias May

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