„Draußen – in der Natur – ist die große Welt“
Frühjahr 2022 – Kinder, die das Glück haben, in einen Natur- oder Waldkindergarten zu gehen, spielen und lernen mitten in der Natur. Von Anbeginn erwerben sie Wichtiges für ihren Alltag und für ihre Zukunft. Sie können sich konzentrieren, machen eigene Erfahrungen und Beobachtungen der sich täglich neu präsentierenden Natur, denn jeden Tag finden sie Neues. Damit sind sie für die emotionalen und kognitiven Herausforderungen der Schule bestens gerüstet.
Als 1993 der erste Waldkindergarten in Flensburg eröffnete, hat keiner geahnt, dass dieses Modell „Kindergarten ohne Türen und Wände“ der frühkindlichen Bildung 28 Jahre später in vielen europäischen und außereuropäischen Ländern übernommen wird und Experten aus Deutschland Einladungen erhalten, um in diesen Ländern Schulungen für die Waldkindergartenpädagogik durchzuführen.
Heute sind Natur- und Waldkindergärten in Deutschland eine Selbstverständlichkeit und aus der vielfältigen Kindergartenlandschaft nicht mehr wegzudenken. Sie sind etabliert und erfreuen sich regen Zuspruchs bei Eltern und Kommunen. Sehr gut ist auch in vielen Waldkindergärten der Kontakt zum zuständigen Förster. Das wurde durch das Projekt „Der Wald ist voller Nachhaltigkeit“ (2012-2015), an dem 21 Förster und entsprechend viele Erzieherinnen beteiligt waren, deutlich. Denn selbst als das Projekt schon gestartet war, wollten weitere Personen daran teilnehmen. Nachdem das Buch zum Projekt erschienen war, erhielten wir vermehrt Rückmeldungen von Walderzieherinnen, die sich durch die Projektbeispiele ermutigt fühlten, Kontakt zum Forst aufzunehmen, um sich auszutauschen und zu vernetzen. Wir kennen viele gute Beispiele von Kooperationen mit den Jägern, allerdings hören wir auch das Gegenteil. Dann müssen Gespräche auf verschiedenen Ebenen geführt werden, bei denen der BvNW seine Mitglieder unterstützt.
Mit großem Bedauern hören wir allerdings von Behörden und Ämtern, von denen die Waldkindergärten keinen Zuspruch erhalten. Dass kann dann auch dazu führen, so geschehen in einem nördlichen Bundesland, dass das zuständige Ministerium bei der Kitarefom die sich bewährten Waldkrippen und Waldhorte abschaffen wollte. Erstens, weil es im Wald für die Kleinsten zu gefährlich sei und zweitens, weil es im Wald keine Möglichkeit gäbe, Schulaufgaben zu erledigen. Mit diesen Aussagen haben wir uns auseinandergesetzt. In einer Stellungnahme konnte der BvNW nachweisen, dass es unverantwortlich ist, wenn die Hauskrippen ohne Kenntnisse von Waldgefahren in den Wald gehen. Die Mitarbeiter*innen in den bestehenden Waldkrippen haben sich durch Fortbildungen zu den Gefahren im Wald für ihre Arbeit gut vorbereitet und deshalb waren nicht die Waldkrippen gefährdet. Ebenso konnten wir mit hervorragenden Beispielen nachweisen, dass es sehr wohl möglich ist, in einem gut ausgestatteten Bauwagen Schularbeiten zu erledigen. Dies geschieht in der Regel bei den Hortkindern innerhalb einer halben Stunde. Die übrige Zeit können die Kinder mit Entdeckungen, Spiel und Abenteuer am Nachmittag im Wald verbringen. Mit unseren Argumenten konnten wir in diesem Bundesland die Existenz der Waldkrippen und Waldhorte sichern.
Das Geschehen mit Corona hat auch bei den Waldkindern keinen Halt gemacht, nur wurde vieles während des ersten und zweiten Lockdowns gut bewältigt. Zum Beispiel hat ein Waldkindergarten eine Schatzsuche mit Regenbogensteinen initiiert, bei der Familien sowohl Steine suchen, als auch für die nächste Familie Steine verstecken konnte. So ließ sich ganz einfach ein Zusammentreffen mit anderen Kindern vermeiden, gleichwohl kamen die Kinder so in „ihren Wald“. Auch nach dem Lockdown war es einfacher draußen, denn Stoßlüften und desinfizieren des Waldes ist nicht nötig.
Aktuell beschäftigen wir uns gemeinsam mit dem Landesverband Wald- und Naturkindergärten in Bayern mit den Themen „Bauen im Außenbereich § 35 BauGB“ und
der „Qualität von Wald- und Naturkindergärten (Pädagogik im Naturraum)“.
Das Aufstellen eines Bauwagens am Rande eines Waldes im Außenbereich wird z.B. einem Waldkindergarten in einer Gemeinde ermöglicht, 10 Kilometer entfernt, gibt es für das gleiche Vorhaben an einem identischen Standort für den Bauwagen keine Baugenehmigung. So geht es landauf, landab in Deutschland. Das Lösungswort heißt für uns „Privilegierung“ der Waldkindergärten, so wie es für den land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb möglich ist. Aktuell sind wir dabei zu recherchieren, wer uns in unserem Vorhaben beraten und unterstützen kann.
Was zeichnet einen Kindergarten als Waldkindergarten aus?
Der Aufenthaltsraum der Kinder ist der Wald, ein Lernort mit der ungestalteten und sich permanent verändernden Natur. Oft dient ein Bauwagen oder eine kleine Waldhütte zum Schutz bei ungünstigen Wetterverhältnissen. Für Extremwetterlagen muss i.d.R. ein Raum außerhalb des Waldes zugänglich sein. Ursprünglich waren Waldkindergärten ausschließlich Elterninitiativen, heute gibt es eine Trägervielfalt, oft haben Hauskindergärten eine Waldgruppe. Die Elterninitiativen sind allerdings immer noch die größte Trägergruppe.
Bedingt durch den gesellschaftlichen Wandel der letzten Jahrzehnte gibt es auch in den Waldkindergärten vermehrt die Ganztagsbetreuung. Das bedarf einer Konzeption, die den täglichen Aufenthalt im Wald von vier- bis sechs Stunden vorsehen muss, um weiterhin ein Waldkindergarten zu sein.
Es gibt seit einiger Zeit auch Waldkindergärten (der Begriff ist nicht geschützt) mit eingezäuntem Grundstück einem großen vollmöblierten Holzhaus mit einer breiten Palette von Innenspielmaterial, sowie einem Spielplatz, der mit viel Holz und Rindenmulch naturnah gestaltet ist. Von einem Kindergarten ohne Türen und Wände sind solche Einrichtungen weit entfernt, auch wenn es ab und an Ausflüge in den Wald gibt. Sicherlich erleben die Kinder auch in diesen Kindergärten eine schöne Zeit, aber handelt es sich hier um einen Waldkindergarten?
Deshalb ist es für den Landesverband Wald- und Naturkindergärten in Bayern und dem BvNW wichtig, Standards für die Qualität von Wald- und Naturkindergärten – der Pädagogik im Naturraum – mit weiteren Akteuren zu entwickeln, damit die reinen Waldkindergärten zertifiziert werden können.
Jeden Tag draußen unterwegs sein an der frischen Luft, Bewegungsfreiräume ‚en Masse‘. Spielmöglichkeiten – fast – ohne Grenzen. Rennen, toben, rutschen, klettern, springen, singen, hämmern, werkeln, laut sein, leise sein, still sein. Mal für sich sein und im nächsten Moment wieder mit allen Freunden den Wald teilen. Tierspuren finden, Zwerge sehen, miteinander zum Drachenplatz gehen, so soll es sein!
Dafür, dass noch viele Kinder den Lernort Natur kennenlernen, setzen wir uns vom BvNW täglich ein.